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Quantum Computing - Hype oder das nächste „große Ding“?

Autor: Prof. Dr. Gerhard Hellstern

Quantum Computing ist ein Ansatz, der auf den Prinzipien der Quantenmechanik basiert, um Berechnungen durchzuführen. Die Idee, Eigenschaften der Quantenwelt für konkrete Berechnungen anzuwenden ist eigentlich nicht neu, sondern wurde schon vor über 40 Jahren vorgeschlagen, vgl. (Feynman, 1981). Was damals noch lediglich theoretische Überlegungen waren, ist mittlerweile in die Nähe der Anwendbarkeit gerückt – ein Beispiel ist das Quantum Machine Learning, von dem sich Forscher signifikante Verbesserungen klassischer Algorithmen versprechen.

Abbildung 1: Blochkugel

Im Gegensatz zu klassischen Computern, die Informationen in Form von Bits verarbeiten (binary digits, also 1 oder 0), nutzen Quantencomputer sogenannte Quantenbits oder Qubits mit den inhärenten Quanteneigenschaften „Überlagerung“ und „Verschränkung“. Dadurch können Quantencomputer bestimmte Berechnungen schneller durchführen als klassische Computer, was theoretisch nachgewiesen wurde. 

Ein Quantenbit lässt sich über die sog. Blochkugel visualisieren. 

Das Quantenbit ist hierbei ein Pfeil, der auf einen bestimmten Punkt auf der Kugeloberfläche zeigt. Aus den Koordinaten des Punkts lässt sich dann die Wahrscheinlichkeit berechnen, dass bei einer Messung dann eine 0 oder eine 1 resultiert. Man spricht hier auch vom „Kollaps der Wellenfunktion“, denn nach der Messung ist der Zustand des Qubits zerstört und eine weitere Messung ist nicht möglich. 

Für die Realisierung der Qubits werden derzeit unterschiedliche konkurrierende Technologien verwendet: Supraleitende Elemente, Ionenfallen, Photonen etc. Welche dieser Technologien sich langfristig durchsetzen wird, ist derzeit noch völlig offen und ein Thema aktiver Forschung. 

Allerdings gibt es auch Kritik, die anführt, dass die derzeitigen weltweiten Investitionen in die Quantencomputing-Technologie auf Spekulationen und Hype basieren, anstatt auf einem klaren Verständnis ihrer Möglichkeiten. Mit den Ankündigungen der Technologie-Giganten Google (Arute, F. et al, 2019) bzgl. einer „Quantum Supremacy“ bzw. erst kürzlich von IBM (Kim, Y. et al, 2023) bzgl. einer „Quantum Usefulness“ werden einerseits die Möglichkeiten sukzessive aufgedeckt, andererseits aber auch der Hype befördert.

Die derzeitige Entwicklungsphase des Quantemcomputings wird nach J. Preskill als „NISQ-Ära“ bezeichnet, vgl. (Preskill, 2018). NISQ steht dabei für Noisy Intermediate-Scale Quantum, d.h. eine Übergangstechnologie aus fehlerbehafteten Systemen mittlerer Größe. Im November 2022 hat IBM den aktuell größten verfügbaren Quantenchip mit 433 Qubits vorgestellt – eine an sich imposante Größe; allerdings sind die einzelnen Qubits nicht perfekt und noch (extrem) fehlerbehaftet. Die Zahl der durchführbaren Operationen ist damit noch beschränkt.

Dass mit solchen Systemen ein echter Quantenvorteil (oder auch nur eine Nützlichkeit) erreichbar ist, ist momentan nicht absehbar. Ein echter Quantenvorteil wird - nach allgemeiner Einschätzung – erst dann erreicht werden können, wenn durch weitere zukünftige Innovationen mehrere 1.000 fehlerfreie Qubits (wofür Hundertausende oder gar Millionen fehlerbehafteter Qubits notwendig sind) für Berechnungen vorliegen. Erst dann lässt sich z. B. der exponentielle Speedup (polynomiale statt exponentielle Laufzeit) bei Shors Algorithmus, vgl. (Shor, 1999), auch praktisch realisieren. Dies wäre jedoch auf viele Probleme in der Informatik übertragbar und würde zu einer Revolution bei der Rechenzeit von schwierigen Problemen führen. 

Herausforderungen für die Nutzung von Quantencomputern

Aktuell stehen folgende Themen im Zentrum der Quanten-Forschung weltweit: 

  • Qubit-Stabilität: Qubits sind sehr empfindlich gegenüber Störungen und können leicht ihre Quanteneigenschaften („Kohärenz“) verlieren. Dies kann zu Fehlern in den Berechnungen führen. Die Entwicklung von Qubits mit höherer Stabilität ist daher ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Leistung von Quantencomputern.
  • Fehlerkorrektur: Aufgrund der Instabilität von Qubits ist die Fehlerkorrektur ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung von Quantencomputern. Es müssen Algorithmen entwickelt werden, die Fehler in den Berechnungen erkennen und korrigieren können.
  • Skalierbarkeit: Derzeit sind Quantencomputer noch vergleichsweise klein und können nur wenige Qubits verarbeiten. Um jedoch komplexe Berechnungen durchzuführen, müssen Quantencomputer auf Tausende oder sogar Millionen von Qubits skaliert werden. Die Entwicklung von skalierbaren Quantencomputern ist daher ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Leistung von Quantencomputern.
  • Quantenalgorithmen: Die meisten derzeitigen Algorithmen sind für klassische Computer konzipiert und optimiert und können nicht einfach auf Quantencomputer übertragen werden. Es müssen daher neue Algorithmen entwickelt werden, die speziell auf das Quantencomputing ausgelegt sind.

Die Möglichkeiten, die sich insbesondere durch Quantenalgorithmen ergeben könnten, sind grundsätzlich vielfältig: Diese liegen z. B. in komplexen Simulationen für die Chemie oder Materialforschung, im Bereich der Optimierung oder auch im Bereich des Maschinellen Lernens. An diesen Forschungen ist auch die DHBW beteiligt, vgl. (QORA, 2023) und (Hellstern, 2021). Neben Grundlagenarbeit geht es hierbei auch um die Frage, welche spezifischen Use-Cases sich für eine Anwendung des Quantencomputings konkret eigenen und ob es sich auch „lohnt“, d. h. aus dem Use-Case ein Business-Case wird.

Ausblick und Fazit

Schild mit der Aufschrift Ecosystem

Insgesamt ist es also noch zu früh, um definitiv zu beurteilen, ob Quantencomputing das nächste große Ding sein wird oder ob es sich „nur“ um einen Hype handelt. Doch schon allein die Tatsache, dass die Technologie mittelfristig enorme Möglichkeiten bieten könnte, führt dazu, dass derzeit von Seiten privater und öffentlicher Geldgeber enorme Summen investiert werden, vgl. (McKinsey, 2022) – letztlich aus der Sorge heraus, etwas zu verpassen. So werden von Seiten des Bundes, vgl. (Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2022), als auch des Landes Baden-Württemberg, vgl. (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, 2023), Mittel für Grundlagen- aber auch für anwendungsbezogene Forschung bereitgestellt. Als positiv ist dabei zu werten, dass es dabei auch um den Aufbau von Ökosystemen aus Hochschulen, etablierten Unternehmen und Start-Ups geht. Schon der Aufbau dieser Ökosysteme ist ein Mehrwert für alle Beteiligten und schon jetzt hat das Quantencomputing das klassische Computing zu neuartigen Lösungsansätzen inspiriert.

Literaturverzeichnis

Blog von Prof. Dr. Gerhard Hellstern